In der Arbeitswelt und besonders in Entscheidungsprozessen treffen häufig zwei unterschiedliche Denkweisen aufeinander: die rationale, analytische Sichtweise der linken Gehirnhälfte und die intuitive, gefühlsbetonte Sichtweise der rechten Gehirnhälfte. Nobelpreisträger Daniel Kahnemann unterscheidet in System 2 und System 1 oder "Linkshirn" und "Rechtshirn". Sobald diese beiden Denkweisen aufeinander treffen, kann es nicht nur zu Missverständnissen, sondern auch zu Konflikten führen – besonders dann, wenn beide Seiten nicht verstehen, warum die andere so denkt und handelt, wie sie es tut.
Stellen Sie sich ein Meeting vor, in dem es darum geht, zwischen zwei Projekten zu entscheiden. Mr. Feeling hat sofort ein ungutes Gefühl bei Projekt B, kann aber nicht erklären, warum. Mrs. Verstand fragt nach belastbaren Gründen und stützt ihre Argumente auf Zahlen und Daten, die das Projekt als rentabel zeigen. Diese Kommunikation verläuft schnell ins Leere, weil beide Seiten aus unterschiedlichen Perspektiven argumentieren, ohne sich auf die andere Position einzulassen.
Die Aufgaben der beiden Gehirnhälften
Bestimmte Areale in unserem Gehirn sind primär für analytisches und logisches Denken verantwortlich. Hier liegt auch das Sprachzentrum, weshalb Argumente und Zahlen oft klar und strukturiert ausgedrückt werden. Das „Linkshirn“ fragt nach Beweisen, sucht nach rationalen Begründungen und stützt Entscheidungen auf klare, messbare Fakten.
Die rechte Gehirnhälfte, das „Rechtshirn“, hingegen ist der Sitz der Intuition und der Lebenserfahrung. Hier werden Emotionen, Erinnerungen und sensorische Eindrücke verarbeitet – oft auf eine Weise, die sich schwer in Worte fassen lässt. Das „Rechtshirn“ entscheidet häufig aus dem Bauch heraus, kann aber nicht immer genau erklären, warum es ein bestimmtes Gefühl oder eine bestimmte Vorahnung hat.
Ein Beispiel aus der Praxis
In der oben beschriebenen Situation zeigt sich schnell die Herausforderung: Das „Rechtshirn“ hat intuitiv Vorbehalte gegen Projekt B, kann diese aber nicht in Worte fassen. Das „Linkshirn“ empfindet die Reaktion als oberflächlich und unlogisch, da die Daten zeigen, dass das Projekt rentabel sein kann. Hier entsteht ein typisches Kommunikationsproblem: Das „Rechtshirn“ fühlt sich missverstanden, während das „Linkshirn“ die emotionale Reaktion als nicht fundiert ablehnt.
Doch oft steckt hinter dem Bauchgefühl des „Rechtshirns“ eine tiefere Lebenserfahrung. Bei genauerem Nachfragen, stellt sich heraus, dass das „Rechtshirn“ in unserem Beispiel an ein früheres, gescheitertes Projekt denkt, das unter ähnlichen Bedingungen durchgeführt wurde. Die negativen Emotionen, die das „Rechtshirn“ in Bezug auf Projekt B hat, sind also durchaus gerechtfertigt, basieren aber auf Erfahrungen, die sich nur schwer in Zahlen fassen lassen.
Die Herausforderung: Beide Gehirnhälften zusammenbringen
Damit solche Entscheidungsprozesse nicht in Sackgassen führen, ist es wichtig, dass beide Denkweisen berücksichtigt werden. Das „Linkshirn“ sollte verstehen, dass das Bauchgefühl des „Rechtshirns“ oft auf fundierten, aber unbewussten Erfahrungen basiert. Gleichzeitig muss das „Rechtshirn“ lernen, seine Intuition mit Beispielen oder Erinnerungen zu stützen, damit das „Linkshirn“ die Argumente nachvollziehen kann.
Ein offener Dialog, der sowohl Verstand als auch Intuition einbezieht, ist der Schlüssel zu besseren Entscheidungen. Anstatt die Argumente des Gegenübers abzuwerten, sollten beide Seiten bereit sein, ihre Sichtweisen zu hinterfragen und sich Zeit zu geben, um auf den Kern der Bedenken oder Vorschläge einzugehen.
Fazit: Bauchgefühl und Verstand zusammenführen
Effektive Kommunikation erfordert, dass wir sowohl rationale als auch emotionale Aspekte einer Entscheidung ernst nehmen. Das „Linkshirn“ muss dem „Rechtshirn“ Zeit geben, seine Intuition zu erklären, und das „Rechtshirn“ sollte bereit sein, seine Erfahrungen zu reflektieren und mit Beispielen zu untermauern. Indem beide Gehirnhälften gemeinsam an einem Entscheidungsprozess beteiligt sind, können fundierte, nachhaltige Entscheidungen getroffen werden, die sowohl den Kopf als auch das Bauchgefühl berücksichtigen.